Fachartikel Energieeffizienz , Regulierung

Konzepte für die Zukunft

Eine Delphi-Umfrage zu Smart Cities liefert konkrete Ansätze

17.12.2016

Der Begriff «Smart City» wird in der Schweiz als ein integratives Zukunftskonzept für fortschrittliche (Energie-)Städte verstanden. Bisher existieren nur eine allgemeine Definition, eine Vielzahl von persönlichen Vorstellungen und einige Pilotprojekte. Im Rahmen einer Delphi-Befragung unter Fachexperten – durchgeführt von der ZHAW – wurde der Begriff Smart City konkretisiert und erweitert. Die Studie zeigt unter anderem die ersten Schritte auf dem Weg zu einer Smart City auf: vom Konzept zur Umsetzung, die wichtigsten Akteure sowie die dabei auftretenden Treiber und Barrieren.

Städte sind heute für über zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs und rund 70 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Konzept «Smart City» will dem entgegenwirken und Städten eine nachhaltige Zukunftsperspektive ermöglichen. Damit dies gelingt, sollen zuerst ein besseres Verständnis zum Begriff «Smart City» geschaffen, Rahmenbedingungen geklärt und erste Schritte beziehungsweise Stossrichtungen im Umsetzungsprozess identifiziert werden.

Zu diesem Zweck startete das ZHAW Institut für Nachhaltige Entwicklung im Jahr 2014 eine Delphi-Befragung, in welcher insgesamt 32 Expertinnen und Experten aus den Bereichen öffentliche Hand, Energieberatung und -planung, Forschung und Entwicklung, Energiewirtschaft sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) über drei Runden zum Thema Smart City befragt wurden. Die Delphi-Befragung ist ein dia­logorientiertes Instrument der Zukunftsforschung mit dem Ziel, Expertenansichten über einen komplexen Sachverhalt zu ermitteln und zu analysieren. In der Schweiz baut das Konzept Smart City auf dem Energiestadt-Label auf, wie in Bild 1 dargestellt.

Auf dem Weg zur Smart City

Das Zusammenleben mit hoher Lebensqualität, ein möglichst geringer Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Vernetzung smarter Bereiche mit ICT sind laut den Befragten die wichtigsten Ziele einer Smart City. Bei der Frage, was die Entwicklung einer Smart City antreibt beziehungsweise was den Umsetzungsprozess verhindert, gewichteten die Expertinnen und Experten die zur Auswahl stehenden Treiber und Barrieren, wie in Bild 2 dargestellt.

Als grösster Treiber wurde die Ressourcen- und Kosteneffizienz identifiziert. Die grösste Barriere stellen momentan die fehlenden politischen Rahmenbedingungen dar. Als wichtigste Akteurin im Umsetzungsprozess einer Smart City wurde entsprechend die Stadt/Gemeinde genannt [2]. Gemäss den Expertinnen und Experten sollten die Kommunen eine Vorbildfunktion wahrnehmen, die Zusammenarbeit der wichtigsten Akteure in Smart-City-Projekten ermöglichen sowie die Akzeptanz in der Bevölkerung sicherstellen und diese auch aktiv in Smart-City-Projekte einbeziehen.

Diese Rahmenbedingungen widerspiegeln sich auch in den ersten Schritten auf dem Weg zu einer Smart City, wie sie im Verlauf der Befragung identifiziert wurden: Entscheidungsträger sollen zusammengeführt, Modell- und Pilotprojekte errichtet und die Bevölkerung in die Planung miteinbezogen werden. Die Pilotprojekte sollen vor allem im Energiebereich stattfinden: Bei der Förderung von dezentraler Energieerzeugung und erneuerbaren Energien, dem Thema Ressourcen- und Energieeffizienz sowie dem Aufbau eines Smart Grids sollte gemäss Befragten zuerst angesetzt werden. In der zweiten Runde wurde ausserdem der Einbezug der Bevölkerung spezifiziert. Die zwei wichtigsten Massnahmen haben jeweils einen Top-down- beziehungsweise Bottom-up-Charakter: Einerseits soll die Bevölkerung bei Entscheiden zu neuen Smart-City-Projekten von der öffentlichen Hand informiert werden, anderseits soll die Bevölkerung die Möglichkeit haben, im Rahmen von Bürgerprojekten oder Projektpartnerschaften mit Unternehmen von sich aus Smart-City-Projekte anzustossen, zu finanzieren und durchzuführen.

Szenarioelemente und geeignete Technologien

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten im Rahmen der Umfrage auch die Möglichkeit, weiterführende und ergänzende Kommentare zum Thema abzugeben. Dabei betonten sie besonders die Relevanz der Themen Mobilität, ICT und den Einbezug der Bevölkerung in einer Smart City. Diese drei Themen bildeten in der dritten und abschliessenden Befragungsrunde entsprechend die Grundlage für Szenarioelemente, welche im Jahr 2035 handeln und Einblicke in eine Stadt geben, in der

  • die Mobilität elektrifiziert, vernetzt gestaltet und zugänglich durch das Smartphone als «Passepartout» ist
  • sich die Bevölkerung in Wohnbaugenossenschaften mit diversen Wohnformen und einem geteilten Garten (Urban Farming) einbringt und eine gemeinschaftliche Photovoltaik-Anlage mitfinanziert
  • Haushalte standardmässig mit Smart Meter ausgerüstet sind, Smart-Home-Technologien nutzen und deren Bewohner auf einer offenen Datenplattform Zugang zu anonymisierten und aggregierten Daten zum Energieverbrauch und weiteren Informationen haben.

 

Die Expertinnen und Experten bewerteten einzelne Aspekte und Technologien aus diesen sogenannten Szenario­elementen nach Wünschbarkeit und Realisierbarkeit. Alle vorgeschlagenen Aspekte aus diesen Szenarioelementen werden generell als wünschenswert betrachtet. Bild 3 zeigt jedoch, dass nur acht Technologien beziehungsweise Konzepte von mindestens 50 % der Befragten als bis 2035 realisierbar angesehen werden und damit Ansatzpunkte für geeignete Technologien zur Ausgestaltung einer Smart City in der Schweiz darstellen: Das Smartphone als «Passepartout», Smart Meter, Sharing-Plattformen, ein optimiertes Matching von Strom­angebot und -nachfrage, Smart-Home-Funktionen, Elektromobilität, Vehicle-to-Grid und ein intelligentes Verkehrsleitsystem.

Herausforderungen einer Smart City im Jahr 2035

Dass die Umsetzung von sozialen, gemeinschaftlichen und suffizienten Massnahmen wie zum Beispiel Carsharing schwierig sein könnte, bestätigen Ergebnisse aus der zweiten Befragungsrunde: Die Umsetzung von Suffizienzstrategien und das Eingehen auf die verschiedenen Bedürfnisse der Bevölkerung wurden als die grössten sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen erachtet. Nichtsdestotrotz ging aus der Umfrage hervor, dass mehr Suffizienz zum Erreichen des wichtigsten Ziels einer Smart City – dem Zusammenleben mit hoher Lebensqualität – unumgänglich sein wird.

Handlungsempfehlungen an Städte und Gemeinden

Um die Ziele einer Smart City zu erreichen, sollte die Stadt als wichtigste Akteurin im Umsetzungsprozess die ersten Schritte einleiten: Bei Smart-City-Projekten soll die Stadt die Zusammenführung aller involvierten Akteure (Energieversorgungsunternehmen, Wissenschaft etc.) sicherstellen, indem sie die Führung und Koordination übernimmt. Des Weiteren soll sich die Stadt selbst verstärkt an Smart-City-Projekten beteiligen, Verwaltungsabläufe optimieren, um bürokratische Hindernisse abzubauen, Finanzierungsmodelle für Projektvorhaben entwickeln und in Forschung und Entwicklung investieren. Ausserdem soll sie mithilfe von Informationskampagnen die Bevölkerung sensibilisieren, die Akzeptanz von Smart-City-Projekten sicherstellen und nicht zuletzt die Bevölkerung in Projekte einbeziehen, indem sie ihr Diskussionsplattformen anbietet.

Diskussion und Ausblick

Basierend auf diesen Ergebnissen soll das bestehende Smart-City-Schweiz-Konzept der IG Smart City ergänzt werden, und zwar um das Themenfeld «Smart Society». Dieses beinhaltet soziale und gesellschaftliche Themen wie zum Beispiel Suffizienzmassnahmen oder die Berücksichtigung der demografischen Struktur. Wichtige erste Schritte zu einer Smart City sind die Zusammenführung der Stakeholder und der Einbezug der Bevölkerung. Diesen Aspekt deckt das bestehende Themenfeld «Stake­holder/Prozesse» zwar schon ab [1], dennoch könnte hier noch deutlicher auf die Informierung, Sensibilisierung und Aktivierung der Bevölkerung hingewiesen werden. Eine intelligente Vernetzung muss nicht ausschliesslich durch ICT erfolgen, sondern beinhaltet auch eine themenübergreifende Vernetzung sowie eine verstärkte Vernetzung der Stakeholder. Diese intelligente Vernetzung ist zwar ein impliziter Bestandteil aller bestehenden Themenfelder, wird jedoch neu noch grafisch ergänzt, indem dieser Aspekt alle Themenfelder umschliesst und diese symbolisch miteinander vernetzt (Bild 4).

Mit dem vorliegenden Schlussbericht der Delphi-Befragung ist der Begriff einer Smart City in der Schweiz konkretisiert und erweitert worden. Zudem zeigt er erste Stossrichtungen für den Umsetzungsprozess hin zu einer Smart City auf. In weiterführenden Forschungsarbeiten sind unter anderem die Validierung der hier aufgeführten Resultate anhand der Analyse bestehender Smart-City-Projekte sowie der Einbezug der Meinung weiterer Stakeholder (Bevölkerung, Wirtschaft etc.) zum Thema geplant. Diese Arbeiten können im Folgenden als Grundlage für eine umfassendere Szenarienentwicklung und da­raus ableitbaren Strategien und Geschäftsmodellen dienen.

 

Referenzen

[1] EnergieSchweiz. (2015). Interessengemeinschaft IG Smart City. Abgerufen am 2. Mai 2016 von www.smartcity-schweiz.ch/de/interessengemeinschaft/
[2] Montalvo, O., & Zolliker, M. (2014). Projektarbeit Energie- und Umwelttechnik: Delphi-Befragung zu Smart Cities im Jahr 2035 in der Schweiz. Winterthur: ZHAW School of Engineering.
[3] Yildirim, Onur & Zwahlen, Mirjam (2016). Smart Cities 2035: Delphi-Expertenbefragung III. Bachelorarbeit (Energie- und Umwelttechnik). Winterthur: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

 

Auteure
Mirjam Zwahlen
Auteur
Onur Yildirim
Auteur
Vicente Carabias
Auteure
Ursula Eschenauer

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