Fachartikel Erneuerbare Energien , Konventionelle Kraftwerke , Regulierung

Temperatur­schwan­kungen während Sunk und Schwall

Modellierung des Temperatur­verlaufs entlang eines regulierten Fliess­gewässers

01.07.2024

Sunk und Schwall wirken sich nicht nur auf die Abflüsse der Fliessgewässer nach Wasser­kraft­werken aus, sondern auch auf deren Temperatur. Die Model­lierung Letzterer kann daher nützlich für die Bewirt­schaftung von Fliess­gewässern sein. Eine Studie hat gezeigt, dass eine solche Modellierung eine hohe Zuverlässigkeit aufweist.

Im Rahmen der Sanierung der Wasserkraft sind Betreiber von Kraftwerken verpflichtet, die negativen Auswirkungen von Sunk und Schwall auf aquatische Ökosysteme zu beseitigen (Gewäs­ser­schutz­gesetz, Art. 39a). Diese künstlichen, schnellen Abfluss­ände­rungen in einem Fliessgewässer werden durch den inter­mit­tieren­den Produk­tions­zyklus der Wasserkraft verursacht, der zur Deckung des schwankenden Strombedarfs nötig ist. Wenn das turbinierte Wasser eines Ausleitkraftwerks aus einem See stammt, kann sich seine Temperatur an der Rückgabestelle von der Temperatur des Fliessgewässers unterscheiden. Abflussschwankungen können eine schnelle Änderung der Wasser­tem­pera­tur (auch als Thermopeaking bezeichnet) im Fliessgewässer verursachen.

Um die Auswirkungen dieses Thermopeakings zu minimieren, müssen Kraftwerks­betreiber Sanierungs­varianten für das aktuelle Klima sowie im Kontext des Klimawandels identifizieren. Mit numerischen Model­lierungs­ansätzen lässt sich die zukünftige Entwicklung der Temperatur in Fliessgewässern analysieren und die Wirksamkeit verschiedener Sanierungs­szenarien der Wasserkraft untersuchen.

Unter­suchungs­gebiet und Datenerfassung

Um ein solches Modell zu testen, wurde der Abschnitt der Saane zwischen der Staumauer Rossens (Greyerzersee) und der Staumauer Maigrauge (Lac de Pérolles) in der Stadt Freiburg untersucht (Bild 1). Auf diesem 22 km langen Abschnitt weist die Saane an ihren Ufern eine ausgeprägte Vegetation auf und fliesst auf einem Bett in einer 50 bis 100 m tiefen Schlucht. Zum Unter­suchungs­gebiet gehört auch das Ausleit­kraftwerk Hauterive, welches das im Greyerzersee gefasste und durch einen 6 km langen Stollen transportierte Wasser turbiert, bevor es in die Saane zurückgeleitet wird. Zwischen Rossens und Hauterive fliesst die Saane somit entlang einer Rest­was­ser­strecke und mit einem meist konstanten Abfluss zwischen 2,5 und 3,5 m³/s. Der Abschnitt stromabwärts von Hauterive unterliegt Sunk und Schwall, mit Abfluss­schwan­kungen bis zu 75 m³/s.

Seit 2016 werden in diesem Abschnitt der Saane Temperaturdaten gesammelt. Mehrere Sonden wurden in verschiedenen Abschnitten ober- und unterstrom des Ausleitkraftwerks eingebaut, um das Spektrum der Wasser­tem­pera­turen mit einer zeitlichen Auflösung von 10 Minuten zu messen. Die Daten erlauben es, die Auswirkungen von Sunk und Schwall auf die Temperatur der Saane zu beschreiben. Sie wurden jedoch insbesondere zur Kalibrierung und Validierung eines numerischen Modells zur Vorhersage der Wasser­tem­pera­tur verwendet.

Im Hinblick auf diese Modellierung wurden zusätzliche Daten zu den Einflussparametern der Wasser­tem­pera­tur erhoben. Dabei handelt es sich vor allem um die Temperatur des Greyerzersees, vom Kraftwerksbetreiber erhobene Abflusswerte (Groupe E) sowie meteorologische Daten der MeteoSchweiz-Station in Fribourg/Grangeneuve.

Numerische thermo­dynamische Modellierung

Die numerische Modellierung basiert auf der Software HEC-RAS (Hydrologic Engineering Center’s River Analysis System). Dieses Programm ist im Bereich der hydrodynamischen Modellierung von Fliessgewässern weit verbreitet und ermöglicht die Berechnung von Abflusstiefen und -geschwindig­keiten in einem Fliessgewässer, insbesondere auf der Grundlage des Abflusses, der Rauheit und der Bathymetrie.

Zudem ermöglicht ein in HEC-RAS integriertes Wasser­qualitäts­modul die Simulation der Tempe­ratur­ent­wicklung gemäss den atmosphärischen Bedingungen und den Eigenschaften des Flussbetts. In diesem Modell können durch verschiedene Prozesse (direkte Sonnen­strah­lung, indirekte Strahlung, sensible Wärme, latente Wärme usw.) induzierte Wärmeströme durch physikalische Gleichungen quantifiziert werden – im Gegensatz zu statistischen Modellen.

Das hydrodynamische Modell wurde auf Basis der Querprofile des Gewässers (BAFU) und der erhobenen Abflussdaten (Groupe E) erstellt. Die meteo­rologischen Daten der Wetterstation Fribourg/Grangeneuve (MeteoSchweiz) wurden anschliessend für die thermische Modellierung verwendet.

Bild 2 zeigt einen kleinen Ausschnitt der mit einem ersten, unkalibrierten Modell erzielten Temperaturen, verglichen mit den im gleichen Zeitraum in der Saane gemessenen Werten. Die resultierende Tempe­ratur­kurve (Modell I) zeigt eine hohe Variabilität mit zu niedrigen Nacht­tempe­raturen und vor allem zu hohen Tages­tempe­raturen. Die Verwendung eines numerischen Modells, das eine hydro- und thermo­dynamische Berechnung kombiniert, garantiert daher nicht automatisch zufrieden­stellende Ergebnisse. Daher ist eine Korrektur bzw. Kalibrierung des Modells nötig.

Berücksichtigung der Beschattung

Um den Einfluss der Beschattung bzw. der Schlucht zu berücksichtigen, wurde die im numerischen Modell berücksichtigte Sonnen­strah­lung reduziert. Tatsächlich erreicht die an der Wetterstation gemessene Sonnen­strah­lung aufgrund der Topografie und Vegetation die Gewässer­oberfläche nicht vollständig. Dieser Beschat­tungs­effekt wurde mit einem Geo­infor­mations­system-Tool (Grass GIS) auf Basis eines digitalen Ober­flächen­modells berechnet, welches das Relief mit Vegetation beschreibt (SwissSurface3D von Swisstopo). Für jeden Tag des Jahres und jede Stunde des Tages war es möglich, den Winkel der Sonnen­strah­lung zu bestimmen und somit einen Korrektur­faktor zu definieren, der dem Bruchteil der Strahlung entspricht, welcher die Gewässer­oberfläche erreicht. Dieser Korrektur­faktor zeichnet sich durch eine für jeden Tag des Jahres spezifische Kurve aus und ermöglicht so eine Korrektur der an der Wetter­station gemessenen Sonnen­strah­lungsdaten (Bild 3).

Die Ergebnisse mit integrierter Beschat­tungs­wirkung werden in Bild 2 als Modell II gezeigt. Diese liegen deutlich näher bei den gemessenen Temperaturen, insbesondere für die im Tagesverlauf erreichten Höchst­tempe­raturen. Der Beschat­tungs­effekt stellt daher ein entschei­dendes Element zur repräsentativen Modellierung der Wasser­tem­pera­turen dar.

Wärme­austausch zwischen Gewässer und Flussbett

Die zweite Anpassung im Modell ist eine Berücksichtigung des Wärme­austausches zwischen der Sediment­schicht und dem Wasserkörper. Obwohl der Einfluss dieses Wärme­austausches bei den meisten Fliessgewässern gering ist, erhöhen regelmässige Schwan­kungen des Abflusses im Zusam­men­hang mit Sunk und Schwall den Austausch. Modell III integriert zusätzlich zur Berücksichtigung der Beschattung diesen Austausch. Die Ergebnisse, in Bild 2 gezeigt, deuten auf eine erhebliche Verbesserung der Modellvorhersage unter Berücksichtigung dieses zweiten Prozesses hin.

Während in dieser Studie der Beschattungseffekt und der Austausch mit dem Flussbett dominierende Prozesse sind, die bei der Modellierung des thermischen Regimes berücksichtigt werden müssen, wurde festgestellt, dass andere Prozesse nur geringen Einfluss auf die Temperatur­ent­wicklung der Saane haben. Dies betrifft den Wind, Grund­wasser­einträge sowie den Luft­tempe­ratur­unter­schied zwischen der Wetterstation und der unmittelbaren Umgebung des Fliessgewässers. Diese Beobachtung ist jedoch spezifisch für den untersuchten Fall. Um diesen Ansatz auf andere Fliessgewässer zu übertragen, sollte dort unbedingt ein eigenes Temperaturmessnetz installiert werden. Denn erst der Vergleich der Simulation mit den Messungen ermöglicht es, die ins Modell zu integrierenden Prozesse zu identifizieren und die Vorhersagen zu validieren.

Bezug zur Sanierung der Wasserkraft

Der vorgestellte Ansatz ermöglichte die Erstellung eines numerischen Modells, mit dem das mehrjährige thermische Regime eines Fliessgewässers unter einer feinen zeitlichen Auflösung (10 Minuten) simuliert werden kann. Das Modell erreicht für die Saane einen durch­schnitt­lichen absoluten Fehler von weniger als 0,6°C und einen Wert von 0,90 für die Kling-Gupta-Effizienz (KGE). Diese Ergebnisse zeigen, dass es die Kalibrierung bestehender numerischer Modelle mit verfügbaren Messdaten ermöglichen kann, eine hohe Genauigkeit bei der Reproduktion des thermischen Regimes eines Fliessgewässers zu erreichen. Diese Genauigkeit wird hier sowohl für die Rest­was­ser­strecke, die durch natürliche Tempe­ratur­schwan­kungen gekennzeichnet ist, als auch für den Abschnitt mit Sunk und Schwall erreicht. Um diese Genauigkeit zu erreichen bzw. nachzuweisen, ist jedoch die Erfassung von Temperatur­mess­reihen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung erforderlich.

Sobald das numerische Modell kalibriert wurde, kann es zur Bewertung des thermischen Regimes unter verschiedenen Szenarien verwendet werden. Dazu können zukünftige Klima­szenarien, aber auch Varianten der Wasser­kraft­sanierung gehören, um deren Wirkung unter heutigen oder künftigen Bedingungen abzuschätzen. Dann ist ein zuverlässiges numerisches Modell, trotz der Vielzahl an Einfluss­faktoren auf die Wasser­tem­pera­tur, eine zentrale Entschei­dungs­hilfe im Hinblick auf die Erhaltung gesunder Fliessgewässer.

Hinweis

Die Studie wurde finanziert von der Groupe E, Ribi SA ingénieurs hydrauliciens und der HEIA-FR (Fonds Ra&D). Die Datenakquisition wurde von Elodie Moulin, Yanis Schaller, Dominique Delaquis und Bruno Spahni von der Technikgruppe der HEIA-FR durchgeführt.

Autor
David Dorthe

ist Maître d’enseignement an der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HEIA-FR) und Doktorand an der Université de Lausanne (UNIL).

Autor
Prof. Dr. Michael Pfister

ist Professor an der HEIA-FR.

Autor
Prof. Dr. Stuart N. Lane

ist Professor an der UNIL.

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