Fachartikel Energiemarkt , VSE

Partnersuche für Energieprojekte

Kooperationsplattform Energy-Connect

04.08.2020

Um die ES 2050 erfolgreich umzusetzen, müssen Forschungs- und Praxispartner zusammenarbeiten. Das sich stetig verändernde Umfeld und die ambitionierten Energieziele erfordern Innovationen, welche breit und rasch umgesetzt werden können. Welche Chancen und Risiken bestehen bei Forschungskooperation und wie können Firmen profitieren?

Mit der Energiestrategie 2050 soll das Schweizer Energiesystem bis 2050 neu ausgerichtet werden. Ziel ist ein Energiesystem mit deutlich erhöhtem Anteil an erneuerbaren Energien und reduzierten CO2-Emissionen.[1] Eine Hauptstossrichtung ist dabei die Senkung des Energie- und Stromverbrauchs durch verstärkte Effizienzmassnahmen, bei gleichbleibender Lebensqualität. Dasselbe gilt für den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion, welche den schrittweisen Wegfall der Kernkraftwerke teilweise kompensieren muss. Die aktuelle Zwischenbilanz  [2] des Bundesamtes für Energie (BFE) zeigt, dass der Endenergieverbrauch pro Kopf seit 2000 stetig abgenommen hat und leicht unter dem für 2020 angestrebten Richtwert von minus 16% liegt. Der ­witterungsbereinigte Endenergieverbrauch pro Kopf muss jedoch künftig im Mittel um 2,2% pro Jahr sinken, um den Richtwert für 2035 zu erreichen. Beim Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sieht die Zwischenbilanz ähnlich aus: Der Richtwert für 2035 erfordert einen deutlich höheren Ausbau als in den vergangenen Jahren.

Um diese Richtwerte von 2035 zu erreichen, sind neben den bestehenden Pfaden grundlegend neue energetische Lösungen, Konzepte und Instrumente nötig. Um entsprechende Schweizer Innovationen in der erforderlichen Zeit erfolgreich auf den Markt zu bringen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Industrie, der öffentlichen Hand, den Universitäten und den Hochschulen unabdingbar.

Der externe Evaluationsbericht zur Energieforschung des BFE [3] zeigt aber auf, dass die Ergebnisse, die durch die Energieforschung zustande kommen, noch zu selten den Weg aus der Forschung in die Anwendung finden. Der dringend notwendige Austausch zwischen der akademischen Forschung und Praxispartnern ist noch zu wenig intensiv. Entsprechend werden die neusten Erkenntnisse der Energieforschung von Fachleuten der Wirtschaft und der öffentlichen Hand noch zu wenig wahrgenommen. Um diese Situation zu verbessern, empfiehlt der Evaluationsbericht, die potenziellen Umsetzungspartner möglichst früh in Projekte einzubeziehen.

Forschungskooperationen

Dass die Integration von Praxispartnern in einem frühen Projektstadium den Innovationserfolg erhöhen kann, ist aus dem Innovationsmanagement bekannt. Bereits Ende der 70er-Jahre ist erkannt worden, dass die kontinuierliche Interaktion mit den Nutzern in allen Phasen eines Innovationsprojektes einen positiven Einfluss auf den Produkterfolg hat.[4, 5] Für eine erfolgreiche Kooperation muss der Innovationsprozess so gestaltet werden, dass ein Mittelweg zwischen Flexibilität (essenziell für die Kreativität) und Disziplin (zur Sicherung der Effektivität) gewährleistet ist.[6]

Die Kooperationsformen zwischen dem Forschenden und seinen Praxispartnern variieren dabei, je nach Rolle des Praxispartners im Entwicklungsprozess. So können Praxispartner die Rolle eines Sensors, Spezialisten, Spezifizierers, Selektors, Lead Users oder die Kombination aus mehreren einnehmen.[6] Die Rolle des Sensors konzentriert sich hauptsächlich auf die Prob­lem­erkennung oder die Ideen­generierung. Der Spezialist hat erweiternde und vertiefende Kenntnisse. Er ergänzt damit die Kenntnisse des Forschungspartners. Diese Kenntnisse können Marktkenntnisse sowie produktbezogenes Fachwissen sein. Der Spezifizierer treibt mit seinem fundierten Expertenwissen die Produktspezifikation voran. Die Rolle des Selektors besteht darin, bei der Suche, Auswahl und Verfeinerung der richtigen Lösung zu helfen. Lead User sind Anwender der entwickelten Lösungen. Ihre Erfahrungen können die Markttauglichkeit dieser Lösungen verbessern.

Die Umsetzung der Energiestrategie  2050 erfordert praxis- und gesellschaftsrelevante Forschung. Die effektive Wirkung der Forschung im Umweltbereich auf Politik und Praxis bleibt jedoch oft hinter den Bestrebungen zurück.[7] Um die Wichtigkeit dieser sogenannten transdisziplinären Forschung zu unterstreichen, werden im neuen Forschungsprogramm Sweet des BFE entsprechende Forschungen unterstützt.[8]

Die in transdisziplinärer Forschung adressierten gesellschaftlichen Problemstellungen erfordern typischerweise die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Akteure.[9] Akteure aus der Praxis vertreten relevante Unternehmen, NGOs, Verwaltungen, Verbände, Politikbereiche etc. und werden für die Problementstehung, -analyse und -lösung einbezogen. Diese Akteure sollen bereits bei der Projektformulierung integriert werden. In der Regel durchläuft ein transdisziplinäres Projekt wechselnde Phasen: In mehreren Schritten wird in einzelne wissenschaftliche und gesellschaftliche Teilprojekte aufgefächert. Diese werden wieder zur übergeordneten Problemstellung zusammengefasst.[9]

Die Interaktionen und die Rollen der Akteure sind, wie oben für das Innovationsmanagement beschrieben, entsprechend der Phasen und Kenntnisse der Akteure unterschiedlich. Auch die Gründe für die Integration der Akteure sind vielfältig: Sie reichen von der Expertise der Akteure über den demokratischen Einbezug der betroffenen Akteure bis zur Integration aufgrund einer besseren Legitimierung der Entscheidungen. Die Rollen sowie die Erwartungen und Interessen sollen früh bei der Projektdefinition geklärt werden.[10]

Koordinierte Energieforschung an Gebäuden und Arealen

Im Rahmen der koordinierten Energieforschung des Bundes wurden 2013 acht Kompetenzzentren zu unterschiedlichen Energiethemen für die Dauer bis Ende 2020 initiiert.[11] Das Kompetenzzentrum für Energieforschung an Gebäuden und Arealen (SCCER FEEB&D)  [12] untersuchte 2018 im Rahmen des Wissens- und Technologietransfers die Rolle und Beteiligung der Praxispartner in Forschungsprojekten. Aus den Erkenntnissen wurden Schlüsse für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Forschungs- und Praxispartnern gezogen.[13] An der Umfrage nahmen 30 Forschungspartner aus allen sechs beteiligten Forschungsinstituten teil und repräsentierten 30 laufende Forschungsprojekte. Zudem wurden einzelne Industriepartner zu ihrer Forschungsbeteiligung befragt. Die folgenden Aussagen sind Anhaltspunkte, aber nicht allgemein gültig für die Energieforschung wegen der kleinen Stichprobe und des fokussierten Anwendungsbereichs.

Intensität der Zusammenarbeit

Die Intensität der Zusammenarbeit mit Praxispartnern ist vor allem bei Projekten zur Entwicklung von Leitfäden und Tools am grössten und bei Projekten der Grundlagenforschung am niedrigsten (Bild unten).

Entsprechend nimmt die Intensität der Zusammenarbeit über die Projektphasen Richtung Markteinführung zu (Bild unten).

Rolle der Praxispartner

Die Rolle der Praxispartner in den Forschungsprojekten war nicht immer klar. Bei den fünf Projekten, in welchen die Umfrage mit den Akademie- und den Praxispartnern durchgeführt wurde, stimmte nur in zwei Projekten das Rollenverständnis des Industriepartners miteinander überein. In den anderen drei Projekten wies der Akademiepartner dem Industriepartner eine andere Rolle zu als jene, in der dieser sich selbst sah. Die Verteilung der Rollen aus akademischer Sicht über alle Projektphasen gemittelt, zeigt eine deutliche Dominanz der Rollen Selektor und Spezialist (Bild unten). Der Spezifizierer ist vor allem in der Machbarkeitsphase gefragt, wohingegen der Sensor während der Konzeptphase intensiv in den untersuchten Projekten beteiligt ist.

Zufriedenheit der Praxisbeteiligung

Aus akademischer Sicht war die Zufriedenheit der Praxisbeteiligung bei jenen Partnern am höchsten, welche die Rolle des Spezialisten einnahmen. In diesen Projekten wurden jedoch nur 60% der Meilensteine in der angestrebten Zeit erreicht. Die Zusammenarbeit mit dem Selektor wurde am tiefsten bewertet. Zu erwähnen ist, dass die Praxispartner aus den fünf befragten Forschungsprojekten tendenziell die Zufriedenheit tiefer einschätzten als die akademischen Partner. Aus der Umfrage ging hervor, dass aus Sicht des Praxispartners die Nutzerbedürfnisse in den frühen Projektphasen zu wenig geklärt wurden. Dies führte hauptsächlich zur geringeren Zufriedenheit.

Empfehlungen für erfolgreiche Forschungskooperationen

Die Energieforschung steht vor Veränderungen: Die vom Bund lancierten acht Kompetenzzentren für Energieforschung (Swiss Competence Centers for Energy Research, SCCER) laufen Ende 2020 aus. Und das auf zwölf Jahre angelegte Forschungsprogramm Sweet (Swiss Energy research for the Energy Transition) des Bundesamts für Energie startet demnächst. Jetzt ist die Chance da, die Energieforschung gesellschafts- und praxisrelevanter zu gestalten. Diese Ausrichtung der Energieforschung ist auch notwendig, um den Umbau des Schweizer Energiesystems mit neuen, in der Gesellschaft akzeptierten Lösungen voranzutreiben und die Energiestrategie 2050 umzusetzen.

Gesellschaftsforschung und praxisrelevante Forschung, sogenannte transdisziplinäre Forschung, erfordert die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren. Diese Akteure sollen mit ihren Bedürfnissen früh im Projekt, bereits bei der Projektdefinition, einbezogen werden. Wichtig ist, dass Rollen, Interessen und Bedürfnisse der Akteure bereits in dieser Phase geklärt werden.

Die Suche nach geeigneten Partnern kann sowohl für Akteure aus der Praxis als auch Forschungsinstitutionen herausfordernd sein: Wie finden Praxispartner ohne etabliertes Forschungsnetzwerk für ihre Anliegen den idealen Forschungspartner? Wie erfahren Forschungsinstitutionen von den Interessen und Bedürfnissen der Praxispartner? Das Bundesamt für Energie, Innosuisse, verschiedene Hochschulen und Verbände wie der VSE haben den Aufbau der Kollaborationsplattform Energy-Connect unterstützt. Aus Energy-Connect können Praxispartner ihre Interessen im Bereich Energie sichtbar machen. Sie können sich zudem auf für sie interessante Projektideen melden. Forschungspartner können ihrerseits Projektideen und ihre Kompetenzen sichtbar machen oder gezielt nach Praxispartnern suchen. So trägt die Kollaborationsplattform Energy-Connect dazu bei, dass sich die richtigen Partner in den frühen Phasen der Projektdefinition finden.

Referenzen

[1]   «Energiestrategie 2050», Bundesamt für Energie, abgerufen am 4. März 2020 auf www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/politik/energiestrategie-2050.html.
[2]   «Energiestrategie 2050, Monitoring-Bericht 2019» Bundesamt für Energie, 2019.
[3]   «Externe Evaluation der Energieforschung des Bundesamtes für Energie», Econcept im Auftrag des Bundesamtes für Energie, 2018.
[4]   E. v. Hippel, «The Dominant Role of Users in the Scientific Instrument Innovation Process», Massachusetts Institute of Technology, 1976.
[5]   M. A. Maidique und B. J. Zirger, «The new product learning cycle», Research polic, 1985, S. 299–313.
[6]   C. H. Wecht, «Frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess», Dissertation Nr. 3117, Universität St. Gallen, 2005.
[7]   S. Maag, T. J. Alexander, R. Kase und S. Hoffmann, «Indicators for measuring the contributions of individual knowledge brokers», Environmental science & policy  89, S. 1–9, 2018.
[8]   «Förderprogramm Sweet», Bundesamt für Energie, abgerufen am 30. April 2020 auf www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/forschung-und-cleantech/foerderprogramm-sweet.html.
[9]   M. Bergmann, B. Brohmann, E. Hoffmann, M. C. Loibl, R. Rehaag, E. Schramm und J. P. Voss, «Qualitätskriterien transdisziplinärer Forschung», Institut für sozialökologische Forschung, 2005.
[10]   C. Pohl, P. Krütli und M. Stauffacher, «Ten reflective steps for rendering research societally relevant», Gaia-Ecological Perspectives for Science and Society  26(1), S. 43–51, 2017.
[11]   «Energie für die Zukunft», Innosuisse Schweizerische Agentur für Innovationsförderung, abgerufen am 9. Dezember 2019 auf www.innosuisse.ch/inno/de/home/thematische-programme/foerderprogramm-energie.html.
[12]   «SCCER Future Energy Efficient Buildings & Districts», FEEB&D, SCCER abgerufen am 2. Juni 2020 auf www.sccer-feebd.ch.
[13]   R. Lüchinger, «Systematic Analysis of Industry Collaboration in Research Projects», MSE Specialization Project 1, HSLU, 2018.

Autor
Richard Lüchinger

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am CC Business Engineering am Institut für Innovation und Technologiemanagement IIT der Hochschule Luzern.

  • Hochschule Luzern, 6048 Horw
Autorin
Prof. Dr. Sabine Sulzer Worlitschek

ist Head of Knowledge and Technology Transfer SCCER FEEB&D an der Hochschule Luzern.

  • Hochschule Luzern, 6048 Horw

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