Fachartikel Energiespeicher

Neuartiges Batterie­system in Betrieb

Systemdienst­leistungen und Erfahrungen

20.08.2024

Seit Ende 2023 betreibt die AEW Energie AG ein neuartiges Battery Energy Storage System (BESS) in Dättwil und testet dabei unter­schied­liche Einsatz­möglich­keiten. Das System baut auf der Cube-Techno­logie mit Lithium-Eisen-Phosphat-Zell­chemie auf. Der Speicher befindet sich im Freien in nächster Nähe zum Unterwerk.

Die Transformation des Energie­versor­gungs­systems und die Integration von erneuer­baren Energie­erzeu­gungs­anlagen hat in den vergan­genen Jahren massiv an Dynamik gewonnen. Damit verbunden ist eine steigende Volatilität der Strom­pro­duktion. Deshalb wird die Speicherung von Energie, sei es kurzfristig für wenige Stunden oder langfristig über mehrere Tage oder Wochen, immer wichtiger. Hohe Zubau­raten von Batteriespeichern auf verschiedenen Netzebenen und mit unter­schied­lichen Ziel­set­zungen bestätigen diesen Trend.

Die AEW Energie AG erkannte schon vor Jahren, dass Energie­speicher­systeme künftige Kern­elemente des Verteil­netzes sein werden. Erste Erfahrungen mit Batterie­spei­cher­systemen, welche in Zusammen­hang mit PV-Anlagen, Klein­wind­anlagen und Block­heiz­kraft­werken (BHKW) eine lokale Energie­spei­che­rung ermöglichten, wurden im Rahmen des Projekts VEiN (Verteilte Einspeisungen in Nieder­span­nungs­netze) zwischen 2010 und 2018 in Rheinfelden und in einem Nach­folge­projekt gesammelt. So konnten bereits früh erste Erfahrungen in der Projektierung und im Betrieb von Speicher­systemen gewonnen und gleichzeitig die Entwicklung der Technologie sowie des Marktes verfolgt werden.

Bei einer internen Inno­vations­kampagne wurde 2019 die Idee zum Bau eines grossen Batterie­speichers auf der Netzebene 5 formuliert und in einer Vorstudie konkretisiert. Nebst Abklärungen zum aktuellen Stand der Technik verschiedener Technologien (Lithium-Ionen, Redox-Flow, Natrium-Nickel) wurden erste Einsatzszenarien für System­dienst­leistungen mit einer Batterie in der Grössen­ordnung eines MW-Speichers skizziert. Darauf basierend wurden mögliche Standorte evaluiert und ein konkretes Projekt erarbeitet. Nebst einem wirt­schaft­lich darstell­baren Case der Investition war vor allem der Aufbau des Know-hows ein ausschlag­geben­des Argument für die Umsetzung des Projekts.

Systemwahl

Im Rahmen der Projektierung zeigte sich schnell, dass das Batterie­speicher­system auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie realisiert werden soll. Die Verfüg­barkeit, der Reifegrad der Technologie sowie der spezifische Preis pro Speicher­kapa­zität waren die grössten Treiber für diese Entscheidung. Li-Ionen-Batterien werden mit verschie­denen Zellchemien angeboten. Für die Anwen­dung in einem statischen Energie­speicher bietet sich die Lithium-Eisen­phosphat-Chemie (LFP) an. Sie weist zwar im Vergleich zu anderen Varianten eine geringere Energie­dichte auf, ist dafür sicherer und nach­haltiger. Im Vergleich zu anderen Batterie­techno­logien sind LFP-Batterien thermisch und chemisch stabiler, was das Brandrisiko erheblich reduziert. Der Verzicht auf das giftige und bezüglich Umwelt proble­matische Kobalt in der Zellchemie erhöht ihre Nach­haltigkeit.

Ein weiteres wichtiges Merkmal für die System­aus­legung ist der Formfaktor des Batterie­speichers. Am weitesten verbreitet sind Speicher­systeme, die in gängigen Containern verbaut und zu Systemen kombiniert werden. Dies ermöglicht einen geringen Instal­lations­aufwand vor Ort und eine hohe Standar­disierung. Alle in der Schweiz verbauten grossen Batterie­spei­cher­systeme basierten bisher auf diesem Ansatz. Alternativ werden Systeme angeboten, bei welchen die Batterien in speziellen Schalt­schränken, soge­nannten Cubes verbaut sind. Jeder dieser Cubes verfügt über eine eigene Klima­anlage, welche die idealen Betriebs­bedin­gungen für die verbauten Batterien gewährleistet sowie über ein Brandmelde- und Löschsystem. Diese Variante ist flexibler im Layout – die Cubes und andere System­kompo­nenten können ideal im vorhandenen Platz angeordnet werden – und sicherer im Brandfall.

Für die AEW waren beide Varianten denkbar und im Lastenheft wurde der Formfaktor nicht explizit vorgegeben. Es zeigte sich aber, dass Cubes-Lösungen durch ihre Flexibilität im Layout am vorgesehenen Standort am wett­bewerbs­fähig­sten waren. Zudem stand in der Schweiz noch kein solches System im Einsatz.

Ein dritter Fokus wurde auf die Funktio­nalität der System­steue­rung gelegt. Dies betrifft system­interne Prozesse wie das Batterie- und Lade­manage­ment­system, welches dafür sorgt, dass die Speicher­ladung gleichmässig auf die Batterie­zellen verteilt wird oder dass Wartungs­zyklen gefahren werden können. Andererseits muss das System über unter­schied­liche Betriebsarten verfügen, die eine Vermarktung des Systems zulassen. So muss zum Beispiel die Lade- oder Entlade­leistung extern vor­ge­geben werden können, oder das System muss autonom in der Lage sein, mit Primär­regel­leistung die Netzfrequenz zu stabilisieren. Nebst funktionalen Anforde­rungen spielten auch die System­archi­tektur, die Hardware, Schnitt­stellen zu anderen Systemen sowie das eingesetzte Scada-System eine wichtige Rolle.

Schliesslich überzeugte das Angebot von Hitachi. Nebst einem technisch wie betriebs­wirt­schaftlich konkur­renz­fähigen Angebot war die unmittel­bare Nähe des R&D-Zentrums von Hitachi zum Anlagen­standort ein Pluspunkt des Anbieters.

Bau und Realisierung

Nachdem der Investi­tions­kredit im Frühjahr 2022 frei­ge­geben wurde, konnte die Umset­zung gestartet werden. In dieser Phase des Projekts wurde die Komplexität des Vorhabens sichtbar. Für die Anbindung an das Verteilnetz sowie für den Eigen­verbrauchs­teil des Systems wurde eine eigene Trans­forma­tor­station im Anlagen­bereich vorgesehen, mit einer gas­iso­lierten Mittel­spannungs­schalt­anlage, einem Trans­for­mator für den Eigenverbrauch sowie einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV). Um die Anforderungen der Starkstrom­verordnung zu erfüllen, wurde zudem eine Trennstelle nach dem Trockentrans­for­mator vorgesehen. Die dafür nötigen Sicherungs­last­schalt­leisten wurden in einem separaten Container untergebracht. So kann das System bei Wartungs­arbeiten sichtbar mechanisch getrennt werden.

Die intensive Projektphase machte deutlich, wie wichtig eine gute und unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem System­lieferanten ist. So konnten verschiedene Detailfragen jeweils effizient gelöst werden.

Nebst der elektrischen Auslegung wurden auch die Tiefbau­arbeiten definiert. Die AEW entschied sich, kein Beton­funda­ment für die Anlage zu erstellen, sondern eine Variante mit Schraub­funda­menten für die Cubes, kombiniert mit vorgefertigten Kabelkanälen, umzusetzen. Dies ermöglicht einen einfachen Rückbau am Ende der Lebens­dauer und half, die Infra­struktur­kosten tief zu halten.

Parallel zum Engineering wurde das Gesuch für die Plan­geneh­migung der Anlage beim ESTI im ordentlichen Planverfahren eingereicht und das Projekt den direkten Nachbarn und der Stadt Baden vorgestellt. Mit der Feuerwehr der Stadt Baden wurde das Brand­schutz­konzept bereits zu diesem Zeitpunkt besprochen.

Noch vor Baubeginn am Standort zeichnete sich ab, dass sich der ursprüng­liche Zeitplan um drei Monate verzögern wird. Grund dafür war aber nicht die Lieferfrist der Batterien und anderer Systemkomponenten, sondern die Verfügbarkeit von Tief­bau­unter­nehmern für die benötigten Arbeiten. Für die System­kompo­nenten mussten deshalb für ein paar Wochen geeignete Lagerplätze für eine Zwischen­lagerung organisiert werden.

Nach den Tiefbau­arbeiten konnte mit der Installation der Anlage begonnen werden. Mit einem Pneukran wurden die System­kompo­nenten und die Cubes auf die vorbe­reiteten Funda­mente gehoben und installiert. Es folgten mehrere Wochen für die Verkabelung der Komponenten sowie die Anbindung ans Verteilnetz, bevor mit der Inbetriebnahme der Anlage begonnen werden konnte.

Spezialisten des Batterie­lieferanten CATL nahmen zunächst die Cubes einzeln in Betrieb. Anschliessend wurden diese mit den jeweiligen Konvertern als Strang in Betrieb genommen. Dabei wurde das übergeordnete Lade- und Kapazitäts­manage­ment für die einzelnen Stränge geprüft und das Zusammen­spiel mit dem Konverter eingerichtet und getestet. Die Kommunikation sowohl technisch zwischen den Teilsystemen als auch zwischen den Spezialisten von Hitachi und CATL vor Ort war in dieser Phase entscheidend. Schliesslich wurden die fünf Stränge zum Gesamtsystem vereint, die Anlagen­steuerung in Betrieb genommen und mit den Integrationstests begonnen. Dabei wurde das BESS mit unter­schied­lichen Leistungen auf einige spezifische Ladestände geladen und entladen sowie die einzelnen Betriebsarten getestet. Ein besonderes Augenmerk wurde bereits in dieser Phase auf die Erfüllung der Prä­quali­fikations­bedin­gungen gelegt, welche die Anlage gegenüber Swissgrid einhalten muss. Die geforderten Tests wurden entsprechend diesen Vorgaben durchgeführt. Am Schluss wurde das System in die OT-Infrastruktur der AEW integriert und die Schnitt­stelle zum Vermarkter eingerichtet und getestet. Die Anlage konnte so innert weniger Wochen reibungslos in Betrieb genommen und das AEW-Personal für den Betrieb geschult werden. Mit dem Bau des Sicherheits­zaunes und der Begrünung der umgebenden Wiese wurden die Arbeiten abgeschlossen.

Erste Betriebserfahrung

Das System wurde rund 18 Monate nach der Bestellung im Herbst 2023 für den Probebetrieb von Hitachi an AEW übergeben. Von November 2023 bis April 2024 wurde die Anlage durch Swissgrid präquali­fiziert und erfüllt nun alle Anforde­rungen zur Erbringung von Primär-, Sekundär- und Tertiär­regel­leistung. Das System wird seit Ende 2023 zur Sicherstellung der Netzstabilität eingesetzt und am System­dienst­leistungs­markt gegenüber der Swissgrid vermarktet. Die Integration des BESS-Leitrechners in den Pool des externen Vermarkters Virtual Global Trading AG konnte über eine normierte Schnitt­stelle ohne zusätzliche Hardware umgesetzt werden. So kann der Vermarkter die Anlage ohne manuellen Eingriff jederzeit in den richtigen Betriebs­modus versetzen.

Der Betrieb funktioniert reibungslos, die Verfügbarkeit gegenüber der Swissgrid beträgt bisher 100 %. Der Betreuungs­aufwand des Systems ist äusserst gering. Das System wurde bisher absolut störungsfrei für Sekundär- und Tertiär­regel­leistung eingesetzt und mehrfach abgerufen.

Ausblick

Die AEW blickt gespannt auf den Betrieb des Systems während den Sommer­monaten. Einerseits wird erwartet, dass der Bedarf nach System­dienst­leistungen mit Abrufen im Sommer grösser sein wird als im Frühjahr und das System somit mehr Zyklen fährt. Gleichzeitig wird die Belastung des Systems im Sommer bei hohen Temperaturen und gleichzeitig hoher Leistung grösser sein als im bisherigen Zeitraum des Betriebs.

Ein spezielles Augenmerk wird auf die Entwicklung der Ladezyklen sowie die Degradation der Speicher­kapazität gelegt. Das System wurde für einen vollen Lastzyklus pro Tag ausgelegt und eine entspre­chende Abnahme der Speicher­kapazität prognostiziert. Nun gilt es einerseits, die effektiven Lastzyklen aufgrund des realen Einsatzes zu erfahren und andererseits, die tatsächliche Entwicklung der Speicher­kapa­zität zu erkennen. Hierzu setzt die AEW nebst der im System imple­men­tierten Über­wachungs­software auf eine zusätzliche Batterie-Analytik-Software der deutschen Firma Twaice. Dieses Überwachungs- und Prognosesystem kann zu jedem Zeitpunkt eine Prognose der Rest­lebens­dauer und des Alterungs­verhaltens anhand der künftigen Belastung berechnen.

Neben der Unter­suchung des Alterungs­prozesses dient der Energie­speicher auch der Erprobung von unter­schied­lichen Einsatz­zwecken. So wird der Speicher in den kommenden Monaten auch hinsichtlich weiterer Einsatz­zwecke wie dem netz­dien­lichen und dem energie­dienst­lichen Einsatz z.B. für Energie­arbitrage getestet.

Autor
Urs Truttmann

ist Technologiemanager bei AEW.

  • AEW Energie AG
    5001 Aarau

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