Fachartikel Energieeffizienz , Gebäudeautomation

Ein Tool zur Redu­zierung des Strom­ver­brauchs

StromGT

25.06.2024

Bei Bauprojekten (Sanie­rungen und Neu­bauten) wäre es nützlich, den Strom­ver­brauch der Gebäude­auto­mation im Voraus zu kennen, um ihn in der Planungs­phase mini­mieren zu können. Zu diesem Zweck steht das Tool «StromGT» zur Verfü­gung. Was bietet es den Planern von Gebäude­auto­mation und Gebäude­technik, und welchen Nutzen bringt es?

Seit rund 10 Jahren ist das Institut für Gebäude­technik und Energie IGE der Hochschule Luzern im Rahmen von drei durch EnergieSchweiz (BFE) mitfinanzierten Projekten im Thema «Strom­ver­brauch der Gebäude­automation» aktiv. Im ersten Projekt [1], das von 2013 bis 2017 lief, wurden Bauten bezüglich des Strom­ver­brauchs der Gebäude­automation untersucht, Labor­messungen durchgeführt, und es wurde eine Berech­nungs­methodik inklusive eines projektinternen Tools entwickelt. Anschlies­send wurden im zweiten Projekt [2] weitere Bauten untersucht und deren Optimierungspotenzial ausgelotet. Aus dem projektinternen Analyse­werkzeug ist im dritten Projekt das Tool «StromGT» [3] hervorgegangen.

Mit diesem neuen Berech­nungs­tool lässt sich der Strom­ver­brauch von Gebäude­auto­mations­systemen und der gesamten Gebäude­technik analysieren. Der Fokus liegt dabei bei der Gebäude­automation. Da jedoch die gesamte Gebäude­technik im Tool abgebildet werden kann, wurde im Namen «GT» für «Gebäude-Technik» gewählt.

Mit geringem Aufwand erhält der Planer bereits in den frühen Planungsphasen ein realistisches, detailliertes Bild des Strom­ver­brauchs. Durch Änderungen am System lassen sich Verbrauchs­redu­zierungen erkennen. Der Planende soll dabei die Auto­mations-Funktio­nalität voll erhalten.

Das kostenlose Tool basiert auf einer Excel-Datei. Um es nutzen zu können, müssen die System­ein­stel­lungen die Ausführung von VBA-Code erlauben. Das Tool ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar. Inhaltlich zur Auswahl stehen zurzeit ein Tool-File mit leeren Falldaten sowie eines, das ein fiktives Fallbeispiel enthält.

Auswertungen

Das Tool ermöglicht mit einem geringen Arbeitsaufwand von wenigen Stunden eine detaillierte und umfassende Aufschlüsselung des Strom­ver­brauchs:

  • Nach Geräten mit und ohne Berück­sich­tigung der Anzahl im System.
  • Aggregiert nach Gerätetyp bzw. Gewerk; optional zusätzlich aufgeschlüsselt nach direktem/indirektem Verbrauch (als indirekter Verbrauch werden die Stromverluste externer Netzteile den versorgten Geräten zugeordnet).
  • Obige Auswertungen zusätzlich nach Zugehörigkeit zur Gebäude­automation: Es wird zwischen den Anteilen «GA» und «nGA» («Nicht GA») unterschieden. Dabei steht «nGA» für den Teil der Gebäude­technik, der nicht der GA zugeordnet ist.

 

Alle diese Auswertungen können in der gewünschten Einheit (W, W/m², kWh, kWh/m²) angezeigt werden. Sie sind in Tabellenform und als interaktive Grafik verfügbar (Bild 1).

Weitere Auswertungen sind die maximale und minimale interne Leistungs­auf­nahme in Watt nach Geräten mit und ohne Berück­sich­tigung der Anzahl im System. Die Maximalwerte können dem Planer bei der Dimensio­nierung der Anschluss­leistung helfen. Die Minimalwerte stellen die Standby-Leistungs­aufnahme dar. Zudem wird die prozentuale Auslastung von Netzteilen ausgegeben. Dieser Wert ist nützlich für die Dimensionierung von Strom­versor­gungen und kann insbesondere helfen, eine Über­dimen­sionie­rung zu vermeiden (Effizienz- und Kostengewinn).

In beliebigen Anwendungs­feldern nutzbar

Das Tool kann für beliebige Systeme verwendet werden, z. B. für Zutritts­systeme oder ausserhalb der GA. Die Gewerke können vom Benutzer konfiguriert werden, und die Felder «Gerätetyp» (Haupt- und Untertyp) können mit Freitext gefüllt werden. Vorkonfi­guriert ist das Tool für die Gebäude­auto­mation mit den klassischen Gewerken Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und Beschattung. Für die Beleuchtung stehen spezifische Eingabefelder (Leistungs­aufnahme, Lichtstrom, Licht­ausbeute, Dimmlevel) inklusive einer Berech­nungs­funktion für den redun­danten Eingabewert zur Verfügung.

Berechnungsmethodik

Die Berechnungs­methodik [4] basiert auf einem Gerätemodell mit einem bis mehreren strom­bezie­henden Eingängen und zwei Betriebs­zuständen (aktiv, Standby). Entsprechende Verbrauchs­angaben findet der Nutzer in den Produkte­daten­blättern. Zudem gibt der Nutzer die Topologie der Stromflüsse ein. Daraus werden die Speisungs­verluste berechnet und auf die gespiesenen Geräte umgelagert. Der Nutzer kann pro speisendes Gerät den Wirkungsgrad bei Nominal-Ausgangsleistung sowie den Leerlauf­verlust angeben. Für gewisse Gerätearten werden der Zeitanteil im aktiven Betrieb, die Gewerks­zuge­hörigkeit und die GA-Zugehö­rig­keit automatisch ergänzt und sind vom Nutzer übersteuerbar. Die Aggregie­rungen erfolgen nach Geräteart, Gewerk und der Zuweisung GA/nGA.

Reduzierung des Strom­ver­brauchs

Der Strom­ver­brauch der Gebäude­auto­mation ist nicht vernach­lässig­bar. So ergab eine Unter­suchung [5] zum Roche-Bau 1 in Basel einen Anteil der Gebäude­auto­mation von 21 %, also rund ein Fünftel des Gesamt­energie­ver­brauchs der Gebäude­technik. Der direkte Vergleich war hier möglich, da die Wärme- und Kälte­erzeu­gung aus­schliesslich strombasiert durch Grund­wasser- und Abwärme­nutzung erfolgt. Zusätzlich zur realisierten GA-Anlage wurde eine funktional äquivalente, optimierte GA-Anlage berechnet. Der jährliche spezifische GA-Strom­verbrauch konnte von 3,6 kWh/m² auf 1,2 kWh/m² reduziert werden (Bild 2).

Handlungsbedarf

Nach Ansicht der Verfasser wird dem Strom­ver­brauch der Gebäude­automation derzeit noch zu wenig Beachtung geschenkt. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass die Bauherren diesbezüglich keine Vorgaben machen. Somit ist die Berück­sich­tigung des Strom­ver­brauchs ein zusätzlicher Aufwand, der vom Planer unentgeltlich erbracht werden müsste. Es braucht wohl zusätzliche Anreize über Labels wie Minergie oder SNBS und allenfalls über normative Vorgaben (SIA, Muken, ...).

Wenn der Markt bezüglich Strom­ver­brauch vorbildliche Geräte nachfragt, dürften die Gerätehersteller vermehrt entsprechende Entwicklungen anstossen.

Zudem sind relevante Verbrauchs­angaben in den Produkt­daten­blättern zu machen, die heute nicht bei allen Produkten vorhanden sind. Wichtig wäre in diesem Zusammen­hang die typische Leistungs­aufnahme im Betrieb mit Unterscheidung der wichtigsten Kon­figu­rationen. Für die Vergleichbarkeit von Produkten verschiedener Hersteller sollte ein Konsens über die Mess­bedin­gungen angestrebt werden.

Ausblick

Neben Produkt­daten­blättern wären elektronisch klassifizierte Produkt­daten­verzeich­nisse hilfreich. In Klassifi­zie­rungs­sys­temen wie «Etim» oder «Eclass» sind bereits geeignete Verbrauchs­attribute vorhanden. Künftig könnte unter Nutzung solcher Klassifi­zierungs­sys­teme eine Produkt­daten­bank in «StromGT» integriert werden. Dadurch könnten Analysen noch effizienter erstellt und Optimie­rungs­optionen schneller geprüft werden.

Aus dem digitalen Planungsprozess (BIM) kann eine Geräteliste mit Geräte­anzahlen exportiert werden. Mit Copy/Paste kann diese in «StromGT» über­nommen werden, wodurch ein Grossteil des Eingabe­aufwands entfällt. Zukünftig könnte in BIM-Tools eine Auswer­tungs­funktion analog zu «StromGT» oder alternativ eine Export­schnitt­stelle zu «StromGT» zur Verfügung stehen.

Referenzen

[1] P. Kräuchi, D. Jurt, C. Dahinden, «Projekt ‹Eigenenergieverbrauch der Gebäude­automation› (EEV-GA)». Ergebnisbericht», BFE, 2016.

[2] P. Kräuchi, «Projekt ‹Musterbeispiele von Gebäude­auto­mations­systemen mit geringem Strom­ver­brauch›, BFE, 2022.

[3] P. Kräuchi, A. Zakovorotnyi, O. Steiger, «Strom­ver­brauch der Gebäude­technik: ein Berech­nungs­tool für Planer», Brenet Status-Seminar, S. 44–51, 2022.

[4] P. Kräuchi, O. Steiger, «Strom­ver­brauch der Gebäude­automation: eine Berechnungsmethodik», Brenet Status-Seminar, 2018.

[5] P. Kräuchi, O. Steiger, «Strom­ver­brauch der Gebäude­automation: eine Fallstudie», Brenet Status-Seminar, S. 80–89, 2020.

Link

Kostenloser Download des Tools.

Autor
Philipp Kräuchi

ist Senior Wissen­schaft­licher Mit­arbeiter an der Hochschule Luzern.

Autor
Prof. Dr. Olivier Steiger

ist Dozent und For­schungs­grup­pen­leiter an der Hochschule Luzern.

Kommentare

Bitte rechnen Sie 2 plus 3.