Interview Fachkräfte , Verbrauch , VSE

«Die Energieeffizienz ist unsere Domäne»

Mit der Umsetzung der ES 2050 wandelt sich das Berufsbild der Kaminfeger

11.12.2017

Energie- und Effizienzberater/in mit eidg. Diplom | Sie machen die wohl einzige «legale Schwarzarbeit» in unserem Land: Die Kaminfeger. Mit der Umsetzung der Energiestrategie 2050 wandelt sich ihr Berufsbild indes grundlegend. Vier Profis aus der schwarzen Gilde erklären, wie sie sich dem Wandel stellen.

Bulletin: Walter Tanner, Sie sind Kaminfegermeister mit einem eigenen Geschäft und Angestellten. Nun stecken Sie mitten in einer Ausbildung zum Energie- und Effizienzberater EEB. Wieso das?

Walter Tanner: Mein Job bedeutet mir alles, er ist mein Traumberuf. Doch mit der Energiestrategie 2050 und der Energiewende verändert sich unser Beruf. Wir müssen uns alle neu ausrichten. Die zweijährige Ausbildung zum EEB ist der Weg dazu.

Sie meinen, den Kaminfegern brechen gewissermassen die Kamine weg, weil Öl- und Gasheizungen zunehmend durch Wärmepumpen ersetzt werden?

Walter Tanner: Die fossilen Heizungen werden tatsächlich weniger. Doch gewisse Bereiche wie die Holzheizung dürften bleiben – und dort sind wir auch weiterhin am Kamin gefragt. Zudem sind Kaminfeger heute vermehrt in der Lüftungsreinigung tätig.

Kurt Fischer: Da möchte ich anknüpfen. Holz, das im Übrigen zu den erneuerbaren Ressourcen zählt, wird nicht verschwinden. Es ist ja auch viel mehr als nur ein Energieträger. Denken Sie an den knisternden Kamin im Winter – und dazu ein Glühwein. Im Holz stecken jede Menge Emotionen drin. Neue Brennwerttechniken binden zudem die Rückstände optimal. Holzheizungen können in diversen Fällen nach wie vor sinnvoll sein. Jedes Haus ist anders. Darum muss auch die Beratung der Kunden individuell sein.

Michael Freudiger, wie erleben Sie diesen Kundenkontakt?

Michael Freudiger: Für mich ist das etwas vom Tollsten an meinem Beruf. Viele Leute kenne ich schon seit Jahren, etwa in den Einfamilienhäusern. Zwar herrscht im Kanton Obwalden kein Monopol, die Leute können den Kaminfeger frei wählen. Doch wir erleben, dass die Leute gerne bei «ihrem» Kaminfeger bleiben. Wir geniessen ihr Vertrauen.

Charly Feuz: Das kann ich bestätigen. Wir werden von den Kunden die verschiedensten Dinge gefragt. Neben der Heizung ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle ein Thema. Zudem spüren die Kunden den Umbau des Energiesystems, sie interessieren sich für Alternativen zur Öl- und Gasheizung – und für die Solarenergie. Energieeffizienz ist ja für eine Familie auch ein Weg, um entscheidend Kosten zu sparen.

Kurt Fischer, ihre Kollegen beschreiben den Kaminfeger auch ohne Kurs bereits als Energie- und Effizienzberater?

Kurt Fischer: Ja, Energieeffizienz ist unsere Domäne. Dank unseren Reinigungen, Justierungen und unserer Beratung wird Brennstoff gespart. Doch unser Gebiet wird zunehmend komplexer. Wir schauen uns nicht nur die Gebäudehülle eines Hauses an, sondern auch dessen Infrastruktur. In Industriegebäuden müssen wir Trafostationen beurteilen können. Und wenn Privatkunden ihr Haus wirtschaftlich sanieren möchten, müssen wir die Energieflüsse und Wärmebrücken kennen.

Michael Freudiger: Wir möchten dem Kunden fachlich vertiefter antworten können. Dank der EEB-Ausbildung werden wir im Beruf kompetenter – und vielleicht werde ich später auch wie meine Kollegen, die ein Geschäft haben, selbstständig Energieberatungen anbieten.

Und wie kam die Zusammenarbeit zwischen Kaminfegermeisterverband und VSE zustande?

Charly Feuz: Stephan Gisi, der Geschäftsführer des Kaminfegermeisterverbandes, und VSE-Direktor Michael Frank hatten Kontakt. Auf die Ausschreibung des EEB-Kurses waren nämlich gleich mehrere Anmeldungen von Kaminfegern eingegangen.

Kurt Fischer: Für uns war das ein logischer Schritt. Für Laien ist es natürlich erst einmal eine besondere Fügung. Ich sehe dahinter folgenden wichtigen Punkt: Wir müssen nicht den Beruf des Kaminfegers neu definieren. Wir müssen ihm nur zutrauen, dass er zu vielen weiteren Tätigkeiten fähig ist.

Trotzdem werden kaum alle Kaminfeger gleich im Anschluss an ihr Diplom eine EEB-Ausbildung besuchen ...

Walter Tanner: Nein, ich sehe die Ausbildung auch nicht als für jeden geeignet. Die meisten meiner Kollegen sagen mir zu Recht «zwei Jahre und Schule am Freitag und Samstag, das ist happig». Viel innere Motivation und ein Ziel vor Augen sind die Voraussetzungen. In meinem Fall bestätigen mich die Kunden. Einige haben mich schon eingeladen, gleich bei ihnen vorbeizuschauen, wenn ich dann fertig sei. Wie gesagt: Kompetente Energieberatung ist gefragt.

Können Sie konkrete Bereiche nennen, wo Ihnen die EEB-Ausbildung bereits genützt hat? Oder Projekte, die Sie in Angriff nehmen wollen?

Michael Freudiger: Im Privaten habe ich schon mal den Standby-Verbrauch meiner Geräte gesenkt. Ob Drucker, TV, Game-Konsole, Musikanlage: Das lässt sich alles an eine Leiste hängen – und bei Nichtgebrauch gemeinsam abschalten.

Kurt Fischer: Es gibt diverse Massnahmen, die sich ohne zusätzlichen Personalaufwand einfach umsetzen lassen. Besonders im Bereich Effizienzmanagement. Unsere Akkuladestation laden wir zum Beispiel nun konsequent zu Billigstromzeiten. Und im Bereich der Gebäudehülle kann viel Energie mit geschickter Dämmung gespart werden.

Walter Tanner: Die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, die Muken 2014, sind sicher ein gutes Beispiel. Sie beinhalten einen starken Eingriff in wärmetechnische Anlagen. Bei gewissen Häusern können Sanierungen mit bescheidenen Massnahmen erfolgen.

Charly Feuz: Ich sehe an diversen Orten grosses Marktpotenzial, durch die Kundennähe. Kantone, Gemeinde, Städte halten sich an die Energiegesetzgebung und wollen diese umsetzen. Der Private braucht jedoch seinen besonderen Ansprechpartner, da das Thema so umfangreich ist. Hohe CO2-Ziele erreichen wir nicht durchs Band über Verbote. Stattdessen braucht es einen idealen Energiemix.

Was würden Sie anderen Kaminfegern mitgeben, wenn sie nach dem EEB-Kurs fragen?

Charly Feuz: Die Ausbildung ist breit gefächert, preiswert und macht einen zum kompetenten Generalisten im Gebiet der Energie- und Effizienzberatung. Wer die Zeit oder Motivation dafür nicht hat, kann sich trotzdem weiterbilden, etwa zum Geak-Experten. Geak ist der Gebäudeenergieausweis der Kantone. Das wäre ein Einstieg in die spannende Welt der Energieberatung.

Kurt Fischer: Der EEB-Kurs des VSE gibt Kaminfegern tolle Perspektiven ausserhalb der «schwarzen Branche». Administration und Management ergänzen den körperlich strengen Beruf.

Walter Tanner: Mit dem EEB können Kaminfeger das Bindeglied sein zwischen Akademikern und der Praxis. Die Ziele der ES2050 werden durch Akademiker errechnet und definiert. Wir wiederum sind die direkten Ansprechpartner, denen der Kunde vertraut.

Michael Freudiger: Dank der Ausbildung haben wir das Rüstzeug, um Kunden vor Ort individuelle Produktvorschläge zu machen. So werden Probleme im Ansatz vermieden – und Kunden bekommen nicht die erstbeste Lösung, sondern die für sie beste. Je nach Haus und Dämmung kann zum Beispiel eine Pelletheizung sinnvoller sein als eine Wärmepumpe. Womit wir wieder beim Holz wären. Dem Stoff, der durch die allerersten Kamine zog.

Autor
Sandro Pfammatter

war von September 2015 bis Oktober 2021 Mediensprecher des VSE.

  • VSE, 5000 Aarau
Zu den Personen

Walter Tanner ist Geschäftsführer der Kaminfeger Tanner GmbH in Kreuzlingen und Präsident des Kaminfegermeister-Verbandes Thurgau.

Kurt Fischer ist Geschäftsführer vom Chämifäger in Rupperswil.

Michael Freudiger arbeitet als Kaminfeger bei Kaminfeger-Plus GmbH in Alpnach.

Charly Feuz ist Geschäftsführer seines Kaminfegergeschäfts in Stechelberg und Mitglied des Zentralvorstands Kaminfeger Schweiz.

Der nächste Lehrgang zum Energie- und Effizienzberater beginnt am 27. April 2018. Anmeldeschluss: 31. Dezember 2017.

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