Fachartikel Integration ins Netz , Smart Grid

Der Weg zum Micro Smart Grid

Dezentral einspeisende Stromerzeuger optimal verbinden

10.02.2017

Ein neues Steuerungs- und Optimierungs­konzept wurde spezifisch für dezentrale Strom­erzeugungs­anlagen entwickelt. Mit dem Energie­mana­gement als Bindeglied von Produktion, Speicherung und Stromnutzer lassen sich Kleinwasser­kraftwerke, Solaranlagen und Biogasanlagen mit einem Speicher verbinden, um einen Inselbetrieb zu ermöglichen oder um elektrischen Strom ins Verteilnetz einzuspeisen. Der eingesetzte DC-Bus ermöglicht den Betrieb der Erzeuger im optimalen Arbeitspunkt.

Spätestens seit dem politischen Entscheid zur Förderung von erneuerbaren Energien [1] ist klar, dass Erneuerbare in Zukunft eine bedeutendere Rolle in der Stromversorgung spielen werden. Weiter verstärkt wird dieser Effekt durch die aufkommende Elektromobilität. Die Stromproduktion mit erneuerbaren Energieträgern ist dabei immer öfter dezentral. Selbst Kunden der EVUs werden manchmal zu Produzenten, zum « Prosumer».[2] Das heutige Verteilnetz ist aber für die Versorgung von dezentralen Verbrauchern aus zentralen Produktionsstellen ausgelegt. Mit der steigenden dezentralen Einspeisung sind neue Konzepte gefragt, um die Energie zu verteilen. Dies betrifft sowohl das Lastmanagement («Load Balancing») als auch die Versorgungssicherheit. Besonders ist hier die Möglichkeit zu beachten, mit einem Zwischenspeicher Lastspitzen auszugleichen und so das Niederspannungsnetz zu entlasten. Vor allem, wenn künftig vermehrt Schnellladungen von Elektromobilen die Versorgungsnetze zusätzlich belasten (bis zu 100 kW pro Ladestation für 20 Min. [3]), ist eine lokale Energiespeicherung entscheidend.

Die Walter-Reist-Holding, WRH, hat ein modulares Energie­mana­gement­system, Steffmaster, für dezentrale Einspeiser entwickelt. Das System ist in der Lage, elektrische Energie in umwelt­schonenden Salzwasser-Akkus zu speichern, um Peak Shaving und eine optimierte Netz­ein­speisung der stochastisch erzeugten Elektrizität aus erneuerbaren Strom­erzeugern zu ermöglichen. Das System lässt sich zudem zum Erbringen von Systemdienst­leistungen und im Inselnetz oder als unterbruchs­freie Strom­versorgung einsetzen. Es ermöglicht eine optimierte Energie­produktion unterschied­licher Erzeuger dank einem für jeden Erzeuger nutzbaren Maximum Power Point Tracking. Das System ist dabei auf eine Leistung von 20 kW bis 240 kW mit einer Speicherkapazität von 20 kWh bis 500 kWh ausgelegt. Es eignet sich deshalb besonders für Mehrfamilien­häuser, Quartiere, KMUs und die öffentliche Hand.

Gleichstrom verbindet

Das grundlegende Konzept des Systems ist der zentrale Gleichstrom-Zwischenkreis (DC-Bus), in den sämtliche Erzeuger (Turbine, Windkraft, Solaranlage etc.) ihre Energie einspeisen und aus dem sämtliche Verbraucher ihre Energie beziehen. Rotierende Maschinen speisen ihre Energie über einen AC/DC-Wandler (Gleichrichter) in den DC-Bus ein. PV-Anlagen können entweder über einen DC/DC-Wandler (Niedervolt-PV) oder direkt (Hochvolt-PV) in den DC-Bus einspeisen. Das Spannungsniveau des DC-Buses ist variabel. Die Gleichspannung im DC-Bus beträgt je nach Systemzustand 610 V bis 900 V.

Zu den Bezügern zählt der Akkumulator, der über einen Gleichspannungswandler an den DC-Bus angeschlossen ist. Der isolierte Gleichspannungswandler ist bidirektional ausgeführt und liefert die optimale Lade-/Entladespannung für die Akkus. Der Netz­anschluss erfolgt über einen ebenfalls bidirektionalen Wechselrichter, der mit seinen Netzkomponenten (Netzdrossel und Netzfilter) die gewünschten Netzbedingungen einhalten kann.

Alle am DC-Bus aktiven Geräte können direkt über den DC-Bus miteinander kommunizieren. Die Versorgung der Steuerlogik erfolgt ebenfalls aus dem DC-Bus. Es ist keine zusätzliche Verkabelung notwendig und das System ist modular aufgebaut und kann je nach Kundenbedürfnis ausgelegt werden. Bestehende Anlagen lassen sich auch nachträglich erweitern.

Bei der Evaluierung der Komponenten wurde darauf geachtet, dass hoch effiziente Designs gewählt wurden, um den Gesamtwirkungsgrad des Systems zu maximieren (AC/DC 98%, DC/DC 96%).

Schwarzstartfähig

Um vollkommen netzunabhängig zu sein, ist das System zusammen mit einem Kleinwasserkraftwerk, einer Steffturbine, immer schwarzstartfähig. Die für den Betrieb der Steuerungselektronik benötigte Energie wird direkt aus dem DC-Bus entnommen. Der DC-Bus wird über den auch passiv wirkenden AC/DC-Wandler einer rotierenden Maschine geladen. Somit kann das System auch bei entladenem Akkumulator und im Inselbetrieb gestartet werden. Dieses System ist dadurch auch für Entwicklungsländer mit instabilem Netz interessant und in Tansania bereits erfolgreich getestet.

Szenarien

Durch den Einsatz des Energiemanagement­systems kann die benötigte Netz­anschluss­leistung beim EVU reduziert werden. Leistungs­spitzen müssen nun nicht mehr durch das öffentliche Netz gedeckt werden, sondern durch zuschaltbare Erzeuger und/oder den Speicher (Peak Shaving).

Das System kann aber auch im Inselbetrieb völlig autonom vom öffentlichen Netz betrieben werden. Durch den Einsatz eines zweiten Netzwechsel­richters (Auftrennung in öffentliches und lokales Netz) sind USV-Funktionen realisierbar. Der Speicher ermöglicht es, öffentlichen Netz­betreibern optional System­dienst­leistungen für Reserveenergie anzubieten.

Durch eine betriebs­wirtschaftliche Optimierung wird die Energie nur dann ins Netz eingespeist, wenn der Ertrag maximal ist. Dies stellt bereits eine Vorbereitung für zukünftig volatile Strompreise dar.

Integration verschiedener Energieerzeuger

Durch den Einsatz der Umrichtermodule kann ein beliebiges rotierendes System eingesetzt werden, wie zum Beispiel Windkraft, Wasserkraft oder auch Biogasanlagen. Durch die Frequenzentkopplung des DC-Buses arbeiten diese Erzeuger unabhängig von der Netzfrequenz und können deshalb mit individuellen MPPT im optimalen Arbeitspunkt betrieben werden. Dies gilt auch für direkt am DC-Bus angeschlossene PV-Module, die über das variable Spannungsniveau des DC-Buses im optimalen Arbeitspunkt betrieben werden können.

Da die Erzeuger unabhängig von der Netzfrequenz sind, können sie jederzeit vom Netz getrennt werden oder an dieses angeschlossen werden, je nach Energiebedarf. Dadurch können der Verschleiss und der Einsatz eventuell benötigter Betriebsstoffe optimiert werden.

Kleinwasserkraft

Eine auch von der WRH entwickelte Komponente ist die Steffturbine, ein Kleinwasserkraftwerk, das auf Prinzipien der Fördertechnik beruht: Ein Kettenrundlauf mit Wasserschaufeln wird durch die Schwerkraft des Wassers bewegt. Mit ihrer Leistung von 12 kW pro Einheit entspricht sie ideal der breit angewendeten Dimensionierung integraler PV-Anlagen.

Mit einem integrierten Permanentmagnet-Generator lassen sich bei optimalen Wasserverhältnissen pro Jahr bis zu 100 MWh Strom damit erzeugen. Mehrere nebeneinander platzierte Turbinen bieten vor allem bei stark schwankenden Durchflussmengen Vorteile. Die Anlagenkonzeption kann an unterschiedliche wassertechnische Gegebenheiten und Topografien angepasst werden.

Eine Anwendung findet die Steffturbine sowohl bei Gefällstufen in Gewässern, bei Gewerbekanälen als auch bei Prozesswasser in Kläranlagen und bei Industrie- und Verarbeitungsbetrieben mit grosser Wassernutzung.

Da jede Anlage über einen eigenen Wechselrichter verfügt, kann das System jede Turbine einzeln regeln. Mit Hilfe eines speziell für diese Applikation entwickelten Algorithmus kann der Energieertrag (MPPT) maximiert werden, indem berücksichtigt wird, dass im Teillastbereich die Turbine deutlich effizienter arbeitet als bei Nenndrehzahl. Der Betrieb in tiefen Drehzahlbereichen senkt zudem die Betriebskosten.

Akkumulator

Als Energiespeicher wird ein Salzwasser-Akku der Firma Aquion eingesetzt. Die Kathode besteht aus Manganoxid, das Anodenmaterial aus Kohlenstoff, als Separator wird Baumwolle eingesetzt und als Elektrolyt Salzwasser. Für das Gehäuse wird recyclierter Kunststoff verwendet. Der Vorteil dieses Speichertyps ist die Verwendung von nachhaltigen und nicht toxischen Materialien. Gegenüber Lithium-Ionen- oder Blei-Akkus sind keine brandgefährlichen Stoffe bzw. Schwermetalle verbaut. Ein Akkustack hat eine Kapazität von 2,2 kWh bei einer Nennspannung von 48 V. Bei dem Akku kann eine Round Trip Efficiency (RTE) von 90% erreicht werden. Die Stacks lassen sich modular verbinden – für jeden Anwendungsfall kann die optimale Speicherkonfiguration und -kapazität bereitgestellt werden. Die maximale Entladungstiefe liegt bei 100% bei mehr als 3000 Ladezyklen. Somit beträgt die durchschnittliche Lebensdauer bei einem täglichen Zyklus rund acht Jahre.

Gegenüber von Lithium-Ionen-Akkus können die Investitionskosten um einen Faktor von zwei bis drei reduziert werden. Im Systembetrieb werden Temperatur und Stromfluss der Akkumulatoren ständig überwacht, um eine lange Lebensdauer zu garantieren, da die Safe Operating Area nicht verlassen wird.

Anwendung

Da jedes Erzeuger- und jedes Verbrauchermodul autonom ist, beschränkt sich die übergeordnete Regelung auf die Leistungsregelung. Durch die partielle Abschaltung nicht benötigter Anlagenkomponenten können Betriebskosten minimiert werden. Je nach Kundensituation kann so durch die selektive Nutzung der Komponenten der betriebswirtschaftliche Gewinn maximiert oder die Autonomie erhöht werden.

Die offene Plattform des Systems ermöglicht es, spezifische Regelungsvorgänge einfach zu integrieren. Entsprechende Schnittstellen können dazu benutzt werden, das System mittels Fernwirktechnik zu steuern, um potenziellen Netzstabilitätsproblemen entgegenzuwirken.

Für das Energiemanagementsystem wurde ein Simulationstool erstellt, das die unterschiedlichen Anwendungs­szenarien simuliert, um eine Integration modularer Erzeuger zu ermöglichen. Das Tool dient dazu, die Wirtschaftlichkeit einer Installation zu prüfen und die optimale Speicherkapazität der Akkumulatoren zu bestimmen.

Zusammenfassung

Dank seines modularen Ansatzes lässt sich das Energiemanagementsystem an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anpassen. Zudem ist das System modular erweiterbar und lässt sich an bestehende Anlagen, zum Beispiel Solaranlagen, anschliessen bzw. können diese entsprechend erweitert werden (Investitionsschutz).

Da auch die Funktionalität des Systems modular ist, kann es der Kundenanforderung entsprechend parametriert und skaliert werden. So können Systemdienstleistungen, Stichwort Micro Smart Grid, oder Inselbetrieb optional aktiviert werden. Der DC-Bus ermöglicht zudem die Nutzung des jeweils optimalen Arbeitspunktes der unterschiedlichen Stromerzeuger.

Referenzen

[1] Doris Leuthard, «Auf den Weg in eine smarte Energiezukunft», Bulletin SEV/VSE, 12/2013, Seite 6.

[2] Jochen Schneider, Florian Werner, Dirk Mulzer, «Kunden werden Produzenten», Bulletin SEV/VSE, 3/16, Seite 13 ff.

[3] Andreas Schuster, Wolfgang Gawlik, «Szenarienbasierte Verteilnetz-, Emissions- und Kostenanalyse einer zukünftigen E-Taxiflotte in Wien», in Forschungsprojekt ZENEM – Zukünftige Energienetze mit Elektromobilität. Technische Universität Wien: Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe, 2013.

[4] http://aquionenergy.com.

Autor
Heinz Füglister

ist als Entwicklungsingenieur bei der WRH tätig.

  • Walter Reist Holding, 8340 Hinwil

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