Meinung Infrastruktur , Regulierung , VSE

Bitte ohne Scheuklappen!

Die politische Feder 2/2018

11.01.2018

Nach jahrelangem Dornröschenschlaf ist die Strommarktöffnung schlagartig wieder auf die politische Agenda gerückt. Es mehren sich die Stimmen, den zweiten Öffnungsschritt nun endlich anzugehen, und zwar rasch.

Die politische Ausgangslage ist allerdings nicht gerade einfach. Die Anfang 2015 abgeschlossene Vernehmlassung ergab ein heterogenes Bild: Ein Drittel der Vernehmlassungsteilnehmer sagte ja, ein Drittel nein und ein Drittel knüpfte seine Zustimmung an Bedingungen. Eine mehrheitsfähige Lösung braucht deshalb eine Austarierung der unterschiedlichen politischen Interessen.

Konkrete Umsetzungsrezepte sind noch nicht in Sicht. Sicher: Wettbewerb ist grundsätzlich richtig und effizient. Aber es darf mit Fug und Recht die Frage gestellt werden, ob der Markt allein die aktuellen Herausforderungen lösen und die Versorgungssicherheit gewährleisten kann. Eine vollständige Strommarktöffnung birgt nämlich grosse Zielkonflikte:

  • Beziehen wir nur den billigsten Strom oder streben wir eine erneuerbare und CO2-freie Versorgung an?
  • Setzen wir auf Importe oder stellen wir eine gewisse Eigenversorgung dank Investitionsfähigkeit im Inland sicher?
  • Müssen die Strompreise sinken oder legen wir Wert auf einen effizienten Stromverbrauch?

Als wäre das noch nicht genug, ist die Strommarktöffnung zudem eng mit der brisanten Europafrage und dem allfälligen Abschluss eines Stromabkommens gekoppelt.

Nun den zweiten Marktöffnungsschritt isoliert anzugehen, ohne links und rechts zu schauen, würde keine Probleme lösen, sondern nur neue schaffen. Es geht hier und heute nicht einfach um ein «Ja» oder «Nein». Vielmehr ist die Marktöffnung im Gesamtkontext zu betrachten. Sie muss mit den energie- und klimapolitischen Zielen im Einklang stehen und darf insbesondere der Versorgungssicherheit nicht zuwiderlaufen. Die Ausarbeitung des neuen Marktdesigns bietet den idealen Rahmen, um diese Diskussion ohne Scheuklappen zu führen.

Autor
Dominique Martin

ist Bereichsleiter Public Affairs des VSE.

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